Dekret Nr. 1
der provisorischen Regierung der Vereinigten Staaten von Brasilien
über die Proklamation der Bundesrepublik als Regierungsform der Brasilianischen Nation und über die Vorschriften für die Bundesstaaten

vom 15. November 1889

Die provisorische Regierung der Vereinigten Staaten von Brasilien verfügt:

Artikel 1. Als Regierungsform der brasilianischen Nation wird die Föderativ-Republik proklamirt.

Artikel 2. Die Provinzen Brasiliens, durch das Band der Föderation umschlungen, bilden die Vereinigten Staaten von Brasilien („Estados Unidos do Brazil").

Artikel 3. Ein jeder dieser Staaten, in Ausübung seiner legitimen Souveränetat, wird sich in geeigneter Weise seine endgültige Verfassung schaffen, seine beschliessenden Körperschaften und seine lokalen Regierungen.

Artikel 4. Solange noch nicht, auf gesetzlichem Wege, die Wahl der konstituirenden Versammlung Brasiliens, und ebenso die Wahlen der gesetzgebenden Körperschaften eines jeden Staates stattgefunden haben, — solange wird die brasilianische Nation durch die provisorische Regierung der Republik regiert werden; und die neuen Staaten durch Regierungen, welche sie als solche proklamiren, oder, wo das nicht der Fall sein sollte, durch von der provisorischen Regierung abgeordnete Regenten.

Artikel 5. Die Regierungen der föderirten Staaten werden schleunigst alle zur Aufrechterhaltung der Ordnung und öffentlichen Sicherheit, zu Verteidigung und Schutz der Freiheit und der Rechte der Bürger, einheimischer oder fremder, notwendigen Massregeln treffen.

Artikel 6. In irgendwelchem Staate, in dem die öffentliche Ordnung gestört sein sollte, oder dem es an nachdrücklichen Mitteln, Unordnungen zu unterdrücken und Frieden und öffentliche Ruhe zu sichern, gebrechen sollte, wird die provisorische Zentralregierung selber einschreiten, um, mit Unterstützung der öffentlichen Gewalt (forca publica = das Heer) die freie Ausübung der Bürgerrechte, das freie Walten der konstituirten Behörden, zu sichern.

Artikel 7. Da die Brasilianische föderative Republik („Republica Federativa Brazileira") die proklamirte Regierungsform ist, so erkennt die provisorische Regierung nicht an, noch wird sie je anerkennen irgend eine der republikanischen Regierungsform entgegengesetzte Lokalregierung, indem sie, wie ihr zukommt, das endgültige durch allgemeine Volksabstimmung frei ausgesprochene Votum der Nation abwartet.

Artikel 8. Die bewaffnete Macht (forca publica regular), repräsentirt durch die drei Waffengattungen des Heeres und die Flotte, davon Garnisonen und Kontingente in den verschiedenen Provinzen sich befinden, bleibt der provisorischen Regierung unterstellt und von ihr allein abhängig; doch bleibt es den Lokalregierungen unbenommen, mit denen ihnen zustehenden Mitteln eine Bürgergarde (guarda civica) zu formiren behufs Polizirung des Territoriums der neuen Staaten.

Artikel 9. Gleicherweise bleiben alle öffentlichen und militärischen bislang der Zentralregierung der brasilianischen Nation untergeben gewesenen Behörden der provisorischen Regierung der Republik unterstellt.

Artikel 10. Der Stadtbezirk von Rio de Janeiro bleibt vorläufig unter der unmittelbaren Verwaltung der provisorischen Regierung der Republik, und die Stadt Rio de Janeiro ist vorläufig Sitz der Bundesgewalt.

Artikel 11. Mit Ausführung dieses Dekretes sind die Staatssekretäre der verschiedenen Ministerien der gegenwärtigen provisorischen Regierung, so weit es einen jeden angeht, beauftragt.

    Rio de Janeiro, den 15 November 1889.

Marechal Manoel Deodoro da Fonseca,
Chef der provisorischen Regierung.

Aristides da Silveira Lobo,
Minister des Innern.

Ruy Barbosa,
Minister der Finanzen und interimistisch der Justiz.

Oberst-Lieutenant Benjamin Constant de Botelho Magalhães,
Kriegsminister.

Kapitän Eduardo Wandenkolk,
Marineminister.

Quintino Bocayuva,
Minister des Äussern und interimistisch für Ackerbau, Handel und öffentliche Arbeiten.


Quellen: Export, Organ des Centralvereins für Handelsgeographie (Zeitschrift), 11. Jg., Nr. 51, Berlin 1889, S. 744
teilw. eigene Übersetzung (Guido Behnke), zur Verfügung gestellt von Guido Behnke
© 11. Juli 2010

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